Niemand hat Amerika so sehr den Puls gefühlt wie Joyce Carol Oates. Ihre Helden sind unsichere Existenzen. Männer werden zu Jägern und Frauen zu wehrlosen Wildtieren, die es zu erlegen gilt. Nicht immer endet es mit dem Tod, aber das Gleichgewicht ist nachhaltig gestört. Eine amerikanische Chronik lautet der Untertitel der grandiosen neunzehn Erzählungen, die zwischen 1963 und 1999 entstanden sind. Da erschießt eine Mutter ihre drei Kinder, weil sie ihren neuen Liebhaber nicht verlieren will. Da drechselt ein morbider Richter aus den Knochen seiner Opfer elfenbeinerne Schmuckstücke. Da weiß die drogensüchtige Melanie still zu halten, wenn sie die Männer bedient, aus Angst, dass wieder der Würgegriff angewendet wird.
Elende Ehen, gewaltbereite Männner, gedemütigte Frauen, die Familie ist kein Zufluchtsort, rassistische Übergriffe, die Arglosen sind alles andere als arglos. Auch hier zeigt sich Oates als geniale Beobachterin menschlicher Abgründe, sie weiß das dunkle Ich, die zerstörerischen Leidenschaften in brillant bedrückenden Geschichten einzufangen. Oates Einblicke in das Durchschnittsleben, das schnell zur Hölle werden kann, sind grandios, schockierend und trotz allem tröstend.
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Von diesen wirklichkeitssatten und sinnlichen Storys geht ein Sog aus, dem wir uns nicht entziehen wollen. Im Blitzlicht der Prosa von Joyce Carol Oates, in ihren Kurzgeschichten, die zu Kürzestromanen werden, sind krude Wirklichkeiten, verborgene Ränder und Abgründe des amerikanischen Kontinents schonungslos sichtbar.
Es macht atemlos, wie Joyce Carol Oates in ihren radikal subjektiven Geschichten in die Haut von Männern und Frauen mit ihren Demütigungen schlüpft, wie sie beschädigten Kinderseelen und aufsässigen Teenagern oder pädophilen Vätern zu Sprache verhilft. Joyce Carol Oates' Helden stammen aus der vom Abstieg bedrohten amerikanischen Mittelschicht - es sind verunsicherte Existenzen.
In all diesen in Die Lästigen versammelten und von Susanne Röckel kongenial erstmals ins Deutsche übertragenen Geschichten entfaltet sich die innere Wahrheit der Joyce Carol Oates, die »eine« Geschichte, die sie obsessiv variiert - ihre amerikanische Chronik. Sie handelt von der Verletzlichkeit des Individuums und damit von uns. Sie erzählt von der Nachtseite Amerikas, von der Enge in seiner Größe und von Gewalt.
Language
German
Pages
384
Format
Paperback
Release
January 01, 2004
ISBN 13
9783821862378
Die Lästigen: Eine Amerikanische Chronik in Erzählungen
Niemand hat Amerika so sehr den Puls gefühlt wie Joyce Carol Oates. Ihre Helden sind unsichere Existenzen. Männer werden zu Jägern und Frauen zu wehrlosen Wildtieren, die es zu erlegen gilt. Nicht immer endet es mit dem Tod, aber das Gleichgewicht ist nachhaltig gestört. Eine amerikanische Chronik lautet der Untertitel der grandiosen neunzehn Erzählungen, die zwischen 1963 und 1999 entstanden sind. Da erschießt eine Mutter ihre drei Kinder, weil sie ihren neuen Liebhaber nicht verlieren will. Da drechselt ein morbider Richter aus den Knochen seiner Opfer elfenbeinerne Schmuckstücke. Da weiß die drogensüchtige Melanie still zu halten, wenn sie die Männer bedient, aus Angst, dass wieder der Würgegriff angewendet wird.
Elende Ehen, gewaltbereite Männner, gedemütigte Frauen, die Familie ist kein Zufluchtsort, rassistische Übergriffe, die Arglosen sind alles andere als arglos. Auch hier zeigt sich Oates als geniale Beobachterin menschlicher Abgründe, sie weiß das dunkle Ich, die zerstörerischen Leidenschaften in brillant bedrückenden Geschichten einzufangen. Oates Einblicke in das Durchschnittsleben, das schnell zur Hölle werden kann, sind grandios, schockierend und trotz allem tröstend.
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Von diesen wirklichkeitssatten und sinnlichen Storys geht ein Sog aus, dem wir uns nicht entziehen wollen. Im Blitzlicht der Prosa von Joyce Carol Oates, in ihren Kurzgeschichten, die zu Kürzestromanen werden, sind krude Wirklichkeiten, verborgene Ränder und Abgründe des amerikanischen Kontinents schonungslos sichtbar.
Es macht atemlos, wie Joyce Carol Oates in ihren radikal subjektiven Geschichten in die Haut von Männern und Frauen mit ihren Demütigungen schlüpft, wie sie beschädigten Kinderseelen und aufsässigen Teenagern oder pädophilen Vätern zu Sprache verhilft. Joyce Carol Oates' Helden stammen aus der vom Abstieg bedrohten amerikanischen Mittelschicht - es sind verunsicherte Existenzen.
In all diesen in Die Lästigen versammelten und von Susanne Röckel kongenial erstmals ins Deutsche übertragenen Geschichten entfaltet sich die innere Wahrheit der Joyce Carol Oates, die »eine« Geschichte, die sie obsessiv variiert - ihre amerikanische Chronik. Sie handelt von der Verletzlichkeit des Individuums und damit von uns. Sie erzählt von der Nachtseite Amerikas, von der Enge in seiner Größe und von Gewalt.