Die Spiritualität des Enneagramms

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Andreas Ebert darf in Deutschland mit Recht als einer der Experten zum Thema Enneagramm genannt werden. Er war es, der ab Mitte der 80er Jahre, vom amerikanischen Franziskaner Richard Rohr inspiriert, unter anderem dessen Vorträge zum Thema Enneagramm übersetzte und in dem Buch: Das Enneagramm: Die 9 Gesichter der Seele weiter vorangedacht hat. Dieses Buch zählt bis heute zu den Standardwerken im deutschsprachigen Bereich.
Andreas Ebert ist auch Gründervater der Arbeitsgemeinschaft Enneagramm in Deutschland. Im Jahr 2008 nun erschien das Buch 'Die Spiritualität des Enneagramms'.
Der Leser wird nach dem Kauf ein schönes fest gebundenes Buch in Händen halten, sogar ein rotes Lesebändchen findet sich im leinengebundenen Buch. Obwohl von der Breite im Taschenbuchformat ist das Buch gut 2 cm höher. Im oberen Drittel findet sich in der Regel aber kein Text, sondern auf einigen Seiten ein Schlagwort des jeweiligen Abschnitts. Eigentlich verlorener Platz... aber auch eine eigene Ästhetik, die sich bei neueren Büchern dieses Verlages findet.
Um es aber schon vorweg zu nehmen: Ebert schreibt hier kein Einsteigerbuch für Menschen, die sich mit dem Enneagramm beschäftigen wollen. Grundkenntnisse im Enneagramm sollten vorhanden sein. Dafür gibt es beispielsweise die Grundlagenwerke von Richard Rohr, Don Richard Riso: Die Weisheit des Enneagramms. Entdecken Sie Ihren inneren Reichtum. oder Helen Palmer: Das Enneagramm: Sich selbst und andere verstehen lernen.
Ebert schreibt ein Buch für Menschen aus dem Spektrum christlichen Glaubens, die interessiert sind, beim Enneagramm und den Erkenntnissen über die eigene Person eben nicht stehen zu bleiben, sondern die darüber nachdenken wollen, wie ein Weg spiritueller Veränderung mit dem Wissen über den eigenen Enneagrammtyp aussehen kann. Was bedeutet die Erkenntnis des Ennegramms in Bezug auf meine Person im Glauben an die Gegenwart Gottes in meinem Leben?
Eine sehr lesenswerte Einleitung mit Bezug auf Kirchenvater Augustin eröffnet die Grundidee des Buches: Ich will zweierlei erkennen, Gott und die Seele. Darum also soll es gehen: die Verbindung von Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis.
Nach diesen 13 Seiten Einleitung folgen 28 Seiten: "Was ist Spiritualität?".
Dabei macht Ebert deutlich, dass Spiritualität allen Religionen als Thema gehört und dabei selbstverständlich alle, auch Buddhisten oder indianische Traditionen eine gemeinsame Erfahrung und Suche kennen. Ebert macht ebenso deutlich, dass bei der Frage der Spiritualität und Psychologie einander brauchen und befruchten. Ebert macht deutlich, dass Kirchen gerade dort gefährlich werden, wenn sie sich auf der Suche nach Identität zu sehr abgrenzen anstatt bei den großen Fragen des Lebens offen nach außen verhalten.
Anschließend erläutert Ebert im Abschnitt 'Das Enneagramm-Symbol' auf 18 Seiten, die Entstehung desselben und räumt mit immer noch zu findenden Entstehungsmythen auf. Vor allem auf Gurdjieff und Ichazos und Ochs werden dabei als Begründer des heutigen Enneagramm-Modells erwähnt.
Auf knapp 50 Seiten erläutert Ebert dann 'Die neun Muster' des Enneagramms. Das ist knapp und kann eher als eine Erinnerung verstanden werden, da andere Bücher zum Thema Enneagamm hier natürlich deutlich mehr in die Tiefe gehen.
Bis Seite 108 ging es um die Selbsterkenntnis durch das Enneagramm, auf den folgenden Seiten bringt Ebert eine seiner wesentlichen Thesen: "Die Fixierung in einem Persönlichkeitsmuster ist Folge davon, das wir aus der ursprünglichen Einheit mit Gott gefallen sind.... "
und haben dadurch den Zugang zu wichtigen Energien verloren.
Es geht darum, sich diesen Energien wieder zu stellen und in Kontakt zu treten. Hier beschreibt Ebert die 99 Gottesnamen im Islam als Ausdruck dieser Tugenden. Ein Gedanke, der sich mir aber angesichts der Länge der Aufführung nicht sinnvoll erschließt.
Im Abschnitt: "Der Weg der Befreiung" macht Ebert für jeden der neun Typen deutlich, was an Dynamik an Veränderung für die neun Typen möglich werden kann mit Blick auf die Tugenden. Diese etwa 70 Seiten sind jedoch sehr ungleich verteilt, manche Typen bekommen nur 3bis 4 Seiten, andere dagegen 12 Seiten der Darstellung. Unter diesem machtvollen Titel des Abschnitts würde ich unbedingt für mehr Ausgewogenheit in der Darstellung bitten. Die 3 und die 7 werden kaum erwähnt, während 2 und 6 in großer Breite erscheinen...
Im Abschnitt 'Der Prozess der Wandlung' beschreibt Ebert die Notwendigkeit des objektiven Beobachtens der eigenen Person, um einen Wandel damit beginnen zu können. 'Das Wahrnehmen, Benennen und Akzeptieren dessen, was ist, ist der Anfang der Wandlung.' Zu Recht weist Ebert darauf hin, dass die meisten Menschen gelernt haben Wahrnehmung und Urteil zu verwechseln. Marshal Rosenbergs Gefühlsalphabet wird von Ebert vorgestellt und der Leser sensibilisiert, bei der Wahrnehmung zu bleiben und die Wertung zu unterlassen. Gelingt dies, ist es bereits der erste Schnitt zu 'Desidentitikation'. Mich in meinen Gefühlen zu beschreiben, schafft bereits erste Distanz zu mir selbst. Ich bin nicht das Gefühl, ich habe das Gefühl, aber es ist nur ein Teil von mir. Gerade diese fünf Seiten die sich mit der Wahrnehmung befassen sind nach meiner Einschätzung allein das Geld für das Buch wert.
Andreas Ebert hat über Jahrzehnte viel Erfahrungen mit dem Enneagramm gemacht. Vieles in diesem Buch zeugt davon, er hat sehr viel Material zusammengetragen und das ist Stärke und Schwäche zugleich. Alles was zu diesem Thema wesentlich zu berichten ist, wird beschrieben. Dabei bekommen die Wüstenväter ' oder genauer gesagt der Wüstenvater Evagrius ' 50 Seiten. Wenngleich ich selbst Theologe bin und seit 20 Jahren als Pastor arbeite, diese Tiefe in der Ausführlichkeit erschließt sich mir nicht. Das mag anderen aber vielleicht ganz anders gehen.
Um so spannender finde ich die Seiten ab Seite 288 unter der Überschrift: "Was hilft und heilt". Hier trägt Ebert auf gut 40 Seiten verschiedene aktuelle spirituelle Wege vor. Ob Exerzitien, Herzengsgebet, Pilgern, Körperarbeit, Thomasmesse oder Bibliolog... alles wird kurz beschrieben und dient dem Leser als Anregung zur eigenen Vertiefung am passenden Ort.
Das Buch von Ebert geht überwiegend in die Breite, an einigen wenigen Stellen in die Tiefe. Für die Breite bin ich sehr dankbar. Die Tiefe kommt mitunter in wenigen Zeilen sehr unscheinbar daher, ob in der Einleitung oder wie erwähnt auf den Seiten 203ff. Es ist ein sanftes Buch, das dem Leser ermöglicht, selbständig zu entscheiden, wo der Weg weitergeht.
Ich selbst habe dieses Buch auf einem Retrait mit einer Gruppe genutzt und erlebt, wie die Teilnehmer sehr individuell angeregt wurden.
Ergänzend eignet sich zum gleichen Thema dabei wunderbar das kleine Büchlein von Suzanne Zuercher: Ankommen im Einssein: Beten mit dem Enneagramm
Und wer dann Enneagramm-Typen spirituell tiefgehend begleiten will und dazu geeignetes Material sucht, wird dies im Buch von Suzanne Zuercher: Neun Wege zur Ganzheit. Die Spiritualität des Enneagramm.
finden. Leider ist dieses ebenso wie andere sehr wertvolle Veröffentlichungen von ihr zum gleichen Thema zur Zeit in Deutschland nur gebraucht zu erhalten. Möge eine rege Nachfrage dies ändern.
Das Buch von Andreas Ebert gibt einen guten Überblick über das Thema.