Die Buchfassung der Dissertationsschrift von Karsten Kruschel erschien zuerst 1995 beim EDFC und war lange Zeit vergriffen. Die Arbeit analysiert Texte von Peter Lorenz, Rainer Fuhrmann, Reinhard Kriese, Gert Prokop, Michael Szameit, Alfred Leman, Karl-Heinz Tuschel, Gottfried Meinhold sowie Angela und Karlheinz Steinmüller.
Das interessante Buch ist für den Liebhaber von Science-Fiction-Literatur, aber ganz besonders für den Leser phantastischer Literatur aus der DDR eine große Fundgrube. U. a. werden sämtliche Science-Fiction-Bücher der DDR aufgelistet.
Stimmen zum Buch:
- "... ebenfalls auf ausführlichen Fallstudien beruht Kruschels Arbeit. Mit dem Spannungsfeld von Eutopien und Dystopien thematisiert er einen Zentralbereich der DDR-SF."
- "Karsten Kruschel refers to the ambivalence in ambiguous utopie in terms of 'the presence of a variety of possible interpretations'. He uses the category of ambiguous utopia to characterize those novels of this period that were neither utopia or dystopia."
LESEPROBE:
Die Versorgung der USA-Bürger mit materiellen Gütern und Lebensnotwendigkeiten in Prokops Vision liegt, wie in einer Dystopie üblich, sehr im Argen und ist doch differenziert zu sehen. Sind die klassischen Dystopien von einer großen Gleichmacherei oder von Kastenbildung gekennzeichnet, so wird bei Prokop einfach so verteilt, wie es marktwirtschaftliche Systeme von jeher tun: Wer bezahlen kann, hat alles, wer wenig bezahlen kann, lebt ärmlich, wer nicht bezahlen kann, muss sehen, wo er bleibt. Irgendwelche »sozialen Netze« gibt es nicht. Milliardenschweren, langlebigen Bigbossen mit allem erdenklichen und auch undenkbaren Luxus an der oberen Spitze der sozialen Stufenleiter stehen am Ende dieser Stufenleiter analphabetische, ausgebeutete und jung sterbende »underdogs« gegenüber, für die schon ein an sich bedeutungsloser Ordnungsverstoß grenzenloses Glück bedeuten kann ─ das sich, wenn man sich die Lebensverhältnisse der Bigbosse betrachtet, allerdings zu reiner Lächerlichkeit verflüchtigt. Noch unterhalb und eigentlich außerhalb dieser sozialen Schichtung stehen die ─ in der Regel völlig unschuldig verurteilten ─ Sträflinge sowie die Unpersonen: In keinem Computer erfasste und deshalb amtlicherseits gar nicht existierende Menschen, die im »underground« oder in den als verwüstet und unbewohnbar geltenden »nolands« leben.
Generell gilt auch in diesem Bereich, dass Prokop Entwicklungen der siebziger Jahre extrapoliert hat ─ durch eine alle Lebensbereiche vergiftende Umweltverschmutzung ist Trinkwasser zu einem äußerst kostbaren Gut geworden, alle auf natürlichem Weg hergestellten Nahrungsmittel sind sündhaft teuer, während für den Massenverbrauch nichts weiter zur Verfügung steht als die Erzeugnisse einer Surrogate herstellenden Industrie, die mit ihrer Produktion die Verseuchung der Umwelt weitertreibt. Diesen ─ sehr gegenwärtigen ─ Tatsachen entsprechend gehört neben der Sorge um Essen und Trinken auch die Angst vor radioaktiver Kontaminierung oder Umweltvergiftung zu den permanenten Lebenssorgen. Diese Aspekte einer dystopischen Gesellschaft, die in den klassischen Dystopien fast völlig fehlen, arbeitet Prokop an einigen der Truckleschen Kriminalfälle deutlich heraus.
Die Versorgung der Bürger jener Prokopschen USA mit geistigen Gütern ist ebenso streng nach Zahlungskraft geordnet wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Umwelt: Künstlerische Genüsse und anspru
Language
English
Pages
270
Format
Kindle Edition
Publisher
EDITION digital
Release
December 20, 2012
Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild - Eutopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren
Die Buchfassung der Dissertationsschrift von Karsten Kruschel erschien zuerst 1995 beim EDFC und war lange Zeit vergriffen. Die Arbeit analysiert Texte von Peter Lorenz, Rainer Fuhrmann, Reinhard Kriese, Gert Prokop, Michael Szameit, Alfred Leman, Karl-Heinz Tuschel, Gottfried Meinhold sowie Angela und Karlheinz Steinmüller.
Das interessante Buch ist für den Liebhaber von Science-Fiction-Literatur, aber ganz besonders für den Leser phantastischer Literatur aus der DDR eine große Fundgrube. U. a. werden sämtliche Science-Fiction-Bücher der DDR aufgelistet.
Stimmen zum Buch:
- "... ebenfalls auf ausführlichen Fallstudien beruht Kruschels Arbeit. Mit dem Spannungsfeld von Eutopien und Dystopien thematisiert er einen Zentralbereich der DDR-SF."
- "Karsten Kruschel refers to the ambivalence in ambiguous utopie in terms of 'the presence of a variety of possible interpretations'. He uses the category of ambiguous utopia to characterize those novels of this period that were neither utopia or dystopia."
LESEPROBE:
Die Versorgung der USA-Bürger mit materiellen Gütern und Lebensnotwendigkeiten in Prokops Vision liegt, wie in einer Dystopie üblich, sehr im Argen und ist doch differenziert zu sehen. Sind die klassischen Dystopien von einer großen Gleichmacherei oder von Kastenbildung gekennzeichnet, so wird bei Prokop einfach so verteilt, wie es marktwirtschaftliche Systeme von jeher tun: Wer bezahlen kann, hat alles, wer wenig bezahlen kann, lebt ärmlich, wer nicht bezahlen kann, muss sehen, wo er bleibt. Irgendwelche »sozialen Netze« gibt es nicht. Milliardenschweren, langlebigen Bigbossen mit allem erdenklichen und auch undenkbaren Luxus an der oberen Spitze der sozialen Stufenleiter stehen am Ende dieser Stufenleiter analphabetische, ausgebeutete und jung sterbende »underdogs« gegenüber, für die schon ein an sich bedeutungsloser Ordnungsverstoß grenzenloses Glück bedeuten kann ─ das sich, wenn man sich die Lebensverhältnisse der Bigbosse betrachtet, allerdings zu reiner Lächerlichkeit verflüchtigt. Noch unterhalb und eigentlich außerhalb dieser sozialen Schichtung stehen die ─ in der Regel völlig unschuldig verurteilten ─ Sträflinge sowie die Unpersonen: In keinem Computer erfasste und deshalb amtlicherseits gar nicht existierende Menschen, die im »underground« oder in den als verwüstet und unbewohnbar geltenden »nolands« leben.
Generell gilt auch in diesem Bereich, dass Prokop Entwicklungen der siebziger Jahre extrapoliert hat ─ durch eine alle Lebensbereiche vergiftende Umweltverschmutzung ist Trinkwasser zu einem äußerst kostbaren Gut geworden, alle auf natürlichem Weg hergestellten Nahrungsmittel sind sündhaft teuer, während für den Massenverbrauch nichts weiter zur Verfügung steht als die Erzeugnisse einer Surrogate herstellenden Industrie, die mit ihrer Produktion die Verseuchung der Umwelt weitertreibt. Diesen ─ sehr gegenwärtigen ─ Tatsachen entsprechend gehört neben der Sorge um Essen und Trinken auch die Angst vor radioaktiver Kontaminierung oder Umweltvergiftung zu den permanenten Lebenssorgen. Diese Aspekte einer dystopischen Gesellschaft, die in den klassischen Dystopien fast völlig fehlen, arbeitet Prokop an einigen der Truckleschen Kriminalfälle deutlich heraus.
Die Versorgung der Bürger jener Prokopschen USA mit geistigen Gütern ist ebenso streng nach Zahlungskraft geordnet wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Umwelt: Künstlerische Genüsse und anspru