Und plötzlich war ich inmitten einer surrealen Welt. Ich staunte über meine Reflexe, die sich der Horde anpassten, in der ich nun Mein Gang hatte etwas von einem vor sich hin torkelnden Blöden an sich, meine Bewegungen waren ziellos, die Gebärden sinnlos und überflüssig – fühlte es sich so an, wenn man völlig verrückt wurde? Offenbarte solches Handeln die höchste Stufe des Glücksempfindens der anderen Menschen? Ich beeilte mich, aus Gründen der Tarnung gelegentlich und unvermittelt dieses irre »Helau« auszustoßen und dabei wildfremden Menschen zuzuglucksen, die ebenso spontan kirre dumpfbackig zurückgrüßten. Ein vom bunten Treiben besonders entfachter anderer Clown drängte an mir vorbei, rempelte mich dabei an, und es mag sein – so genau erinnere ich das nicht mehr, bitte glauben Sie mir das! –, dass ich bei dem Versuch, die lustige Idee hinter diesen karnevalistischen Massenveranstaltungen auch körperlich wiederzugeben, dem nach Bier und Gewöhnlichkeit stinkenden Mann meinen Ellbogen in die Seite rammte. Tranige, wässrig blaue Augen glotzten mich an, denen ich in täuschender Absicht freundlich zunickte, um dem Clown zu signalisieren, dass und wie sehr wir doch alle von der gleichen Emotion beseelt waren, Freude zu erleben; getrieben von der erschütternden Hilflosigkeit, der eigenen Existenz auch nur den minimalsten Sinn abgewinnen zu können; besessen davon, emotionale Erlösung vom Alltagstrott in alkoholisiertem Vergessen zu finden, und das alles nur durch den Umstand, sich ein Mal im Jahr so richtig zum Vollidioten zu machen – was für ein erbärmliches Leben. Aber was machte der Clown, anstatt all dies zu bedenken? »Wat soll dat?«, pöbelte die Witzfigur mich an, während wir Seite an Seite im Strom der Narren weitergingen.
Ich griente das Abbild eines fröhlich unbeschwerten Lächelns auf mein Gesicht, realisierte dann aber, dass der Idiot das durch meine Maske nicht sehen konnte. Also verdrehte ich schauspielerisch gekonnt die Augen, hob die Hände zu den Ohren und machte einen Winki-Winki, den ich der Situation durchaus angemessen fand.
»Warum juckste so ernst, min Jung?« Hörte ich da so etwas wie Anteilnahme, gar Mitleid? Sprachen seine unbewussten Kontrollmechanismen an, die gerne »soziale Kompetenz« genannt wurden, in Wahrheit aber auf der Suche nach einem Abtrünnigen waren? Würde er in den nächsten Minuten, gemeinsam mit anderen Clowns, Alkoholisierten, Versagern und Möchtegern-Huren mit mir über die Echtheit meiner karnevalistischen Aktivitäten diskutieren wollen? Sie verstehen sicher, dass ich es darauf nicht ankommen lassen konnte, und ich will nicht verschweigen, dass etwas tief in mir drin auf einen solchen Moment hingesteuert hatte. Es kam einfach so, wie es kommen musste.
Language
German
Format
Paperback
Release
April 17, 2015
ISBN 13
9783956340215
Mr. Alarming: Die Bekenntnisse eines sexbesessenen Serienmörders
Und plötzlich war ich inmitten einer surrealen Welt. Ich staunte über meine Reflexe, die sich der Horde anpassten, in der ich nun Mein Gang hatte etwas von einem vor sich hin torkelnden Blöden an sich, meine Bewegungen waren ziellos, die Gebärden sinnlos und überflüssig – fühlte es sich so an, wenn man völlig verrückt wurde? Offenbarte solches Handeln die höchste Stufe des Glücksempfindens der anderen Menschen? Ich beeilte mich, aus Gründen der Tarnung gelegentlich und unvermittelt dieses irre »Helau« auszustoßen und dabei wildfremden Menschen zuzuglucksen, die ebenso spontan kirre dumpfbackig zurückgrüßten. Ein vom bunten Treiben besonders entfachter anderer Clown drängte an mir vorbei, rempelte mich dabei an, und es mag sein – so genau erinnere ich das nicht mehr, bitte glauben Sie mir das! –, dass ich bei dem Versuch, die lustige Idee hinter diesen karnevalistischen Massenveranstaltungen auch körperlich wiederzugeben, dem nach Bier und Gewöhnlichkeit stinkenden Mann meinen Ellbogen in die Seite rammte. Tranige, wässrig blaue Augen glotzten mich an, denen ich in täuschender Absicht freundlich zunickte, um dem Clown zu signalisieren, dass und wie sehr wir doch alle von der gleichen Emotion beseelt waren, Freude zu erleben; getrieben von der erschütternden Hilflosigkeit, der eigenen Existenz auch nur den minimalsten Sinn abgewinnen zu können; besessen davon, emotionale Erlösung vom Alltagstrott in alkoholisiertem Vergessen zu finden, und das alles nur durch den Umstand, sich ein Mal im Jahr so richtig zum Vollidioten zu machen – was für ein erbärmliches Leben. Aber was machte der Clown, anstatt all dies zu bedenken? »Wat soll dat?«, pöbelte die Witzfigur mich an, während wir Seite an Seite im Strom der Narren weitergingen.
Ich griente das Abbild eines fröhlich unbeschwerten Lächelns auf mein Gesicht, realisierte dann aber, dass der Idiot das durch meine Maske nicht sehen konnte. Also verdrehte ich schauspielerisch gekonnt die Augen, hob die Hände zu den Ohren und machte einen Winki-Winki, den ich der Situation durchaus angemessen fand.
»Warum juckste so ernst, min Jung?« Hörte ich da so etwas wie Anteilnahme, gar Mitleid? Sprachen seine unbewussten Kontrollmechanismen an, die gerne »soziale Kompetenz« genannt wurden, in Wahrheit aber auf der Suche nach einem Abtrünnigen waren? Würde er in den nächsten Minuten, gemeinsam mit anderen Clowns, Alkoholisierten, Versagern und Möchtegern-Huren mit mir über die Echtheit meiner karnevalistischen Aktivitäten diskutieren wollen? Sie verstehen sicher, dass ich es darauf nicht ankommen lassen konnte, und ich will nicht verschweigen, dass etwas tief in mir drin auf einen solchen Moment hingesteuert hatte. Es kam einfach so, wie es kommen musste.